Durch das neue Cannabisgesetz ergeben sich viele Änderungen für den privaten Konsum. Gilt das auch für medizinisches Cannabis?
Durch das neue Cannabisgesetz ist der Konsum unter bestimmten Voraussetzungen nicht länger illegal. Ergeben sich dadurch auch für medizinisches Cannabis Änderungen?
Seit Jahrhunderten werden der Hanfpflanze heilende Eigenschaften nachgesagt. Besonders das in der Hanfpflanze enthaltene psychoaktiv wirkende Tetrahydrocannabinol (THC) soll gegen Schmerzen und psychische Erkrankungen helfen. Deshalb ist es in Deutschland schon länger möglich, sich vom Arzt ein Rezept über medizinisches Cannabis ausstellen zu lassen. Das neue Cannabisgesetz ändert an den dafür notwendigen Voraussetzungen wenig.
Inhalt des neuen Cannabisgesetzes
Nach vielen hitzigen Debatten im Bundestag und Diskussionen in Medien und Bevölkerung ist das neue Cannabisgesetz der Ampelregierung seit dem 1. April in Kraft. Während früher privater Umgang mit Cannabis strafbar war, gelten nun neue Regelungen für den Eigenkonsum:
- Erwachsene dürfen im öffentlichen Raum 25 g Cannabis zum Eigengebrauch mit sich führen.
- Zu Hause dürfen Erwachsene bis zu 50 g getrocknete Cannabisblüten besitzen, sowie bis zu drei weibliche Cannabis-Pflanzen anbauen.
- Volljährige dürfen Cannabissamen für den privaten Anbau online bestellen oder aus EU-Mitgliedsstaaten einführen.
- In eigens gegründeten Cannabis Social Clubs dürfen THC-haltige Hanfpflanzen angebaut werden. Vereinsmitglieder unter 21 Jahren dürfen bis zu 30 g im Monat erhalten, mit maximal 10 Prozent THC-Gehalt, über 21-Jährige bekommen 50 g monatlich.
- Cannabis darf nicht in Produkten wie Keksen oder anderen Süßigkeiten verarbeitet werden.
- Für Minderjährige bleiben sowohl Besitz als auch Konsum nach wie vor verboten.
- Der Konsum von Cannabis ist im Umkreis von 100 Metern bzw. in Sichtweite von Schulen, Kindergärten und -krippen, Spielplätzen, Sportstätten oder Jugendeinrichtungen verboten.
- In Fußgängerzonen darf erst ab 20 Uhr gekifft werden.
- Für den Straßenverkehr gibt es noch keine neue Regelung, diese soll in den nächsten Monaten folgen.
- Weiterhin strafbar bleiben der Handel und die Weitergabe von Cannabis ohne Lizenz.
Änderungen beim medizinischen Cannabis
Schon seit 2017 ist es in Deutschland möglich, Cannabis aus bestimmten medizinischen Gründen zu konsumieren. Die gesetzlichen Auflagen dafür bleiben vom neuen Cannabis-Gesetz weitestgehend unberührt.
Einzige Ausnahme: bisher galt medizinisches Cannabis als Betäubungsmittel (BTM) und konnte daher auch ausschließlich auf einem sogenannten BTM-Rezept (gelbes Rezept) verordnet werden. Nun ist nur noch ein herkömmliches Rezept (rotes oder grünes Rezept) oder ein E-Rezept erforderlich. Ausgenommen ist dabei Nabilon, ein synthetisch hergestelltes Cannabinoid, das vornehmlich bei bestimmten Formen von Übelkeit und Erbrechen verwendet wird, z. B. bei Chemotherapien. Dieses gilt weiterhin als BTM.
Für Arztpraxen und Apotheken entfallen für Cannabis-Rezepte somit die speziellen Archivierungspflichten, die für BTM-Rezepte gelten. Das könnte dazu führen, dass medizinisches Cannabis zukünftig öfter von Ärzten verschrieben wird und es damit mehr Apotheken verkaufen.
Wer kann medizinisches Cannabis erhalten?
Anspruch auf eine Versorgung mit medizinischen Cannabis haben Versicherte mit schweren Erkrankungen, bei denen herkömmliche Medikationen nicht ausreichend Wirkung zeigen oder (noch) nicht möglich sind. Der zuständige Arzt entscheidet, ob und wie der Patient von der Einnahme von Cannabis gesundheitlich profitieren könnte und ob dies eventuelle Nebenwirkungen aufwiegt. Bei Patienten mit diesen Erkrankungen kann Cannabis Beschwerden lindern:
- Chronische Schmerzerkrankungen
- Multiple Sklerose
- Epilepsie
- Psychische Erkrankungen wie Angststörungen und Depressionen
- Krebs (auch bei Nebenwirkungen von Chemotherapien)
Um die Kosten für medizinisches Cannabis erstattet zu bekommen, muss vor der Ausstellung eines Rezepts ein Antrag bei der zuständigen Krankenkasse erfolgen. Darin müssen Ärztinnen oder Ärzte genau darlegen, warum sie die Verordnung speziell für diese Patientin oder Patienten für sinnvoll halten. Wechselt Patientin oder Patient das Produkt – beispielsweise von getrockneten Blüten zu einer Fertigarznei – ist ein neuerlicher Antrag erforderlich. Ebenso, wenn man die Krankenkasse wechselt.
Ausnahme: Für die Verordnung von Medizinal-Cannabis in der Spezialisierten Ambulanten Palliativversorgung (SAPV) ist keine Genehmigung erforderlich.
Theoretisch kann auch ein Privatrezept ausgestellt werden, die Kosten für das Medizinal-Cannabis müssen Patientin oder Patient dann selbst tragen. Laut dem Deutschen Hanfverband liegen die Preise derzeit je nach Anbieter und Sorte bei 6 bis 15 Euro pro Gramm getrocknete Blüten.
Darreichungsformen von medizinischem Cannabis
Bei Cannabis denkt man meistens zuerst an Rauchen. Und tatsächlich ist das auch bei medizinischem Cannabis möglich. Man erhält dann die getrockneten Blüten, entweder als ganze Blüten oder bereits zerkleinert als Granulat.
Außerdem gibt es die Möglichkeit, Medizinal-Cannabis als Mundspray oder in Tropfenform zu konsumieren.
Welche Darreichungsform die geeignete ist, müssen Ärztin/Arzt und Patientin/Patient individuell gemeinsam entscheiden.
Reisen mit medizinischem Cannabis
Auch wenn Medizinal-Cannabis durch das neue Gesetz in Deutschland nicht mehr als Betäubungsmittel gilt – in den meisten anderen Ländern ist das nach wie vor der Fall. Aufgrund der internationalen Suchtstoffübereinkommen wird somit für Reisen mit medizinischem Cannabis in der Regel weiterhin eine beglaubigte Reisebescheinigung benötigt.
Für Reisen in Länder, die zum Schengener Abkommen gehören, gilt: Eine Bescheinigung der behandelnden Ärztin bzw. des behandelnden Arztes nach Artikel 75 des Schengener Durchführungsübereinkommens muss von der obersten Landesgesundheitsbehörde beglaubigt werden. Diese Bescheinigung ist maximal 30 Tage gültig.
Bei Reisen in andere Länder rät die Bundesopiumstelle dazu, sich eine mehrsprachige Bescheinigung ausstellen zu lassen, welche Angaben zu Einzel- und Tagesdosierungen, Wirkstoffbezeichnung und Dauer der Reise enthält. Diese Bescheinigung ist ebenfalls durch die zuständige oberste Landesgesundheitsbehörde zu beglaubigen und bei der Reise mitzuführen. Es ist dringend dazu zu raten, sich genau über die Gesetzeslage im jeweiligen Zielland zu informieren, da teilweise die Mitnahme in jeglicher Form stark eingeschränkt oder generell verboten ist.
Achtung: Ein sogenannter Cannabis-Ausweis, wie ihn verschiedene Anbieter kostenlos oder für einen geringen Preis zusenden, ist kein offizielles Ausweis-Dokument. Er kann allerdings eine sinnvolle Ergänzung zur Kopie des BTM-Rezepts und der Bescheinigung der Ärztin/des Arztes sein, weil man dort alle wichtigen Daten (Dosierung, Sorten, Verschreibungsgrund) übersichtlich eintragen kann.
Unabhängiger Verwandter: CBD
Die Hanfpflanze enthält nicht nur das psychoaktiv wirkende THC, sondern auch andere sogenannte Cannabinoide, die sich gesundheitsfördernd auswirken können. CBD ist sicher das Bekannteste. Viele Anwenderinnen und Anwender berichten, dass sich dadurch ihre Schlafstörungen, Ängste, depressive Verstimmungen oder Schmerzen verbessert haben. CBD macht nicht abhängig und beeinflusst weder Wahrnehmung noch Verhalten. Es ist rezeptfrei in vielen Formen erhältlich, beispielsweise als Öl, Tropfen, in Salben, Sprays oder verarbeitet in Lebensmitteln. Dazu beraten wir Sie gern.
Martina Gersiek,